Der San Cristóbal

Samstag
5:23
Aufstehen. Um früh nach Chinandega zu kommen, müssen wir so früh wie möglich aus Managua losfahren. Auf meinem Handy lese ich die Nachricht von Lara (gesendet um 00:08, da hatte ich schon geschlafen): „Also Finn, sie haben mir gerade gesagt, dass sie mit dem Auto kommen und dich um 7:30 am Markt einsammeln, mich dann auf dem Weg. Hier die Nummer: […]“ Also gut, nicht mit dem Bus. Das wird eine entspannte Hinfahrt. Schnell die Suppe nochmal warmgemacht und dann mit dem schon gepackten Rucksack losgehen…

7:20
Kurz vor der Haltestelle bekomme ich einen Anruf. Die Nummer habe ich nicht eingespeichert, aber sie kommt mir bekannt vor. „Wo bist du?“, fragt man mich in perfekten Deutsch. „Fast da, auf der anderen Straßenseite“, antworte ich. „Gut, wir sind in fünf Minuten da.“.

7:29
Ganz unbehelligt kaufe ich mir gerade 10 Bananen, als man mich auf Deutsch anspricht: „Hey, bist du Finn?“. Ich drehe mich um und schaue einem jungen Mann mit mittelgroßer Statue, längeren dunkleren Haaren und einem Bart entgegen. Er stellt sich mir als „Matin“ vor. Wir gehen zusammen zu einem silbernen Pick-Up. Er fragt mich, ob ich Spanisch kann. Die beiden im Auto können kein Deutsch. Also kein deutscher Ausflug. Im Auto treffe ich auf Marie-Cruz und Cele. Wer meinen Block aufmerksam verfolgt, weiß, dass „Cele“ etwas wie „Weißer“ bedeutet. Ich bilde mir ein, mich verhört zu haben, und nehme mir vor, später nochmal nachzufragen.

7:45
Wir sammeln Lara auf einer Tankstelle ein. Sie war die Nacht auf einer Feier und konnte nicht ganz so lange schlafen, dafür war ihr Weg kürzer. Direkt im Auto stellt Martin sich selbst, Marie und Cele vor. Jetzt bin ich verwirrt, weil ich dachte, dass Lara die Leute schon kennt. Dann erklärt Lara, dass Martin einen Aufruf auf Facebook gestartet hat, weil sie noch Leute suchten, die mit auf den Vulkan wollen. Lara war die einzigste, die sich darauf gemeldet hat. Gut. Wir fahren mit irgendwelchen Leuten 135 km nach Chinandega, um mit denselben auf einen aktiven Vulkan zu klettern. Hört sich gut an.

Im Auto erfahre ich mehr über die anderen:
Martin war 2014 bis Anfang 2016 für ein FSJ in Deutschland und kann deshalb so gut Deutsch. Hier in Nicaragua arbeitet er auf der Farm seiner Eltern und klettert viel in seiner Freizeit. Mittlerweile hat er fast alle in Nicaragua bestiegen. Der San Cristóbal fehlt noch. Cele wird Cele genannt, weil er für einen Nica wirklich weiß ist (nicht ganz so weiß wie ich), wohnt in Chinandega und er fährt seinen Pick-Up. Marie ist die Cousine von Martin und arbeitet beruflich im Bereich Marketing in Managua.

9:17
Der San Cristóbal können wir schon aus weiter Ferne erkennen. Perfektes, nahezu wolkenfreies Wetter. Groß, dieser Hüpel.

etwa 10:00
Wir gehen einkaufen. Im Supermarkt und auf dem Händlermarkt kaufen wir Toast, Wasser, Tunfisch, Bananen, Mamones, Bananen, Orangen, Kekse, Batterien… Schön, dass wir das alles tragen dürfen. Auf der Straße kaufen wir Sandwichcreme. Noch schnell eine gute Portion Reis mit Bohnen und Nudeln gegessen, dann kann es losgehen.

12:30
Wir machen uns auf den Weg zum Busterminal. Auf dem Weg dahin kommt uns ein kleiner LKW entgegen, geladen mit Menschen. Der ist zwar schon voll, aber für 7 Cordoba springen wir fünf noch hinten drauf.

13:10Blick auf den San Cristóbal
Wir steigen an der letzten Haltestelle aus. Ab jetzt geht es für uns nur noch zu Fuß weiter. Wenigstens geben uns Wolken ein bisschen Schatten. Manchmal.

14:12
Uns kommen Schüler entgegen. Sie kommen von der Finca, die wir für heute ansteuern. Sie machen uns Mut, indem sie uns lachend zurufen, dass es noch ein bisschen dauert. Der Weg ist nicht besonders steil, aber es ist heiß und die Beschaffenheit des Untergrundes lässt zu wünschen übrig.

14:31Maria bekommt einen Anhalter
Marie wird ein Stückchen von einem Pferd mitgenommen. Mich fragt keiner.

15:15
Wir kommen an der Finca an. Martin ist ein Stückchen zurückgelaufen, um seine Kamera zu suchen, die er entweder bei einer Pause vergessen hat, oder irgendwie von den Schülern geklaut wurde. Wir warten dort also auf Martin und hören uns ein wenig um. Wir sind momentan auf gut 700m, der Vulkan ist 1742m hoch. Man empfiehlt uns hinter der Hand, auf den Campingplatz zu verzichten (der auch 5$ kosten soll), und dafür besser 100m höher am Vulkan auf einer Aussichtsplattform zu kampieren. Als Martin kommt (leider ohne Kamera), entschließen wir uns genau dazu. Mit aufgefüllten Wasservorräten schleppen wir uns den Vulkan hoch.

etwa 16:00

Wir kommen auf der Aussichtsplattform an. Wir bauen das Zelt auf. Ich entscheide mich aufgrund der Wetterlage und des Ausblicks auf einen Schlafplatz außerhalb des Zeltes. Wir befinden uns nämlich auf 800 Meter über Null mit einem gewaltigen Ausblick über die Chinandega bis hin zu Pazifik.

Der Sonnenuntergang in seiner vollen Pracht.
Der Sonnenuntergang in seiner vollen Pracht.

16:57
Die Sonne geht über dem Pazifik unter. Atemberaubend.

 

 

Dunkel wars, das Feuer schien helle...
Dunkel wars, das Feuer schien helle…

18:13
Holz ist zusammengesucht und das Lagerfeuer angeschmissen. Wir grillen über zwei Holzstöcken die Toasts, belegen sie danach mit Sandwichcreme und Thunfisch. Das hört sich nicht nach einem absoluten Gaumenschmaus an, ist aber erstaunlich lecker. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen und das Lagerfeuer.

 

19:12
Es ist kalt und wir sind müde. Wir putzen uns (sparsam) mit Wasser die Zähne und legen uns schlafen.

 

Sonntag
2:13
Ich werde von hellem Mondlicht geweckt. Es weht außerdem mittlerweile ein kräftiger Wind. Mir ist kalt. Von meinem Schlafplatz (inmitten von hohem Gras und gepolstert von Stroh) kann ich die Spitze des San Cristóbal im Kontrast zum Mond sehen. Die Spitze sieht so nah aus…

Nächtlicher Blick in Richtung Gipfel
Nächtlicher Blick in Richtung Gipfel

3:00
Ich höre Stimmen aus dem Zelt. Bevor ich aufstehe, schaue ich auf die Uhrzeit. Noch eine Stunde bis zum Aufbruch. Ich bleibe liegen. Anscheinend lässt es sich im Zelt nicht so gut schlafen.

4:30
Wir sind aufgestanden. Martin hat die ganze Nacht nicht schlafen können (aufgrund von Schnarchgeräuschen anderer Personen). Auch Lara hat nicht gut geschlafen. All das ist uns jetzt egal und wir beschließen, die Kälte mit Bergsteigen zu vertreiben. Wir räumen zügig unsere Sachen zusammen, verstecken dann Zelt und Klamotten in der Nähe von der Aussichtsplattform, weil wir nicht alles auf die Spitze mitschleppen möchten.

5:00
Wir brechen endlich auf. Im Dämmerlicht und Schein der Kopflampe geht es den Berg hoch.

5:13
Marie kann nicht mehr. Wir machen unsere erste Pause. Wir motivieren sie, weiterzumachen. Sie ist wohl noch nicht ganz fit. Ihr Rucksack bleibt ersteinmal unten und landet versteckt im Gebüsch. Tatsächlich sieht es nicht mehr weit aus bis nach oben. Ich bin guter Laune und fühle mich topfit. Noch.

5:55
Ein bisschen vorgelaufen mache ich eine Pause. Die Vegetation hat noch nicht aufgehört. Aber der Sonnenaufgang ist atemberaubend. Ein Blick nach oben sagt mir, dass es nicht mehr weit ist. Etwa 300 Meter. Der Blick auf den kleinen Bruder des San Cristóbal sagt mir, dass aber noch 700 Höhenmeter fehlen. Der Schatten des Vulkans reicht bis zum Pazifik. Mir ist immer noch ein bisschen kalt. Wir gehen weiter.

Sonnenaufgang im Schatten des Vulkans.
Sonnenaufgang im Schatten des Vulkans.

6:05
Den Wunsch nach einer Frühstückspause lehne ich ab und rufe herunter, das wir oben frühstÜcken können. Ich will nach oben!

etwa 6:30
Ich bin vorgelaufen. Weiter unter mir kann ich ganz klein Lara und Martin erkennen. Cele und Marie habe ich lange nicht mehr gesehen. Womöglich sind sie umgekehrt. Ich mache eine kurze Pause. Die Kälte hört nicht auf. Im Schatten des Vulkans weht ein kalter Wind. Ich habe zwei T-Shirts an, aber nur eine kurze Hose. Ich mache nur kurz und wenig Pausen, um nicht auszukühlen. Manchmal trägt eine Ladung Steine mit sich, die mir um die Beine, Hände und Gesicht fliegen.

etwa 6:50
Ich vermeide es, Pausen zu machen. Meine Finger sind unangenehm undurchblutet und fühlen sich wie durch einen Handschuh taub an. Ich muss nach oben an die Sonne!

etwa 7:00
Die Sonne schafft es über den Rand des Vulkans auf mein Gesicht. Wärme strömt über meine Haut. Ich hebe die Hände, um möglichst viel Sonne einzufangen. Es ist ein wundervolles Gefühl. Hier oben gibt es etwas Gehölz. Ich hebe einen Stock auf, um ihn als Laufstock zu benutzen. Ich schätze etwa 15 Minuten bis zur Spitze.

7:11
Ich bin sauer. Einige Meter vor der vermeintlichen Spitze zeigt sich, dass es hinter dieser der Aufstieg noch einige Meter weiter geht. Wenigstens scheint hier die Sonne.

7:30
Ich komme an. Kurz vor der Spitze stelle ich meinen Rucksack ab. Ganz oben zeigt sich ein atemberaubender Blick mit knapp 100km Sichtweite. Ich kann El Salvador und Honduras sehen. Auf der anderen Seite des Vulkans zeigt sich ein inaktiver Krater. Dahinter kann man unter der riesigen Rauchwolke den aktiven Krater vermuten. Es geht steil hinab und auerdem weht ein kräftiger Wind. Ich traue mich nicht weiter, deswegen gehe ich einige Meter bergabwärts zurück und setze mich in den Windschatten eines Felsens. Ich packe eine Packung Kekse aus und warte auf die anderen.

8:07
Martin kommt zuerst, danach in kurzem Abstand Lara. Ich wäre ihnen gerne ein Stückchen entgegen gekommen, aber dazu habe ich weder Kraft noch Lust. Genau wie ich genießen sie den Ausblick von ganz oben.

8:51
Cele kommt an. Durchgeschwitzt und fertig, aber er ist da. Kaum zu glauben: Auch Marie hat es gepackt.

Alle kommen an!
Alle kommen an!

9:19
Zusammen machen wir ein Foto am Gipfel. Wir sind alle stolz!

Endlich angekommen
Endlich angekommen

9:20
Wir machen uns auf den Rückweg. Wir alle haben Bammel davor, denn erfahrungsgemäß ist der Abmarsch meist anstrengender als der Aufstieg.

9:50
Die Erfahrung täuscht. Ich gleite über den Kies in einem Affenzahn nach unten. Etwa so muss das Sandboarding auf dem Cerro Negro sein. Nach einer halben Stunde habe ich knapp 1000 Höhenmeter nach unten überwunden. Jetzt heißt es, auf die anderen zu warten.

11:00
Auf der Finca werden wir mit einem Mittagessen in Empfang genommen. Es gibt Nudeln, Reis mit Bohnen und Tortilla. Alle werden satt. Wie man es uns vorher versprochen hat, spart man uns den restlichen Abmarsch und nimmt uns auf der Ladefläche des Pick-Ups mit ins Tal.

Nach dieser Tour steht fest: Die Vulkane Nicaraguas sind nicht sicher – vor mir und meiner Wanderlaune! Fortsetzung folgt!

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